Was ist in den letzten Wochen mit dieser Stadt geschehen? Wo sind all die in sich gekehrten Gesichter hin verschwunden? Weshalb bemühen sich die St. Petersburger auf einmal, von sich aus ihre, zumindest rudimentären, Kenntnisse der englischen Sprache abzurufen? Was ist nur geschehen?
Wer St. Petersburg ein bisschen näher kennt, wird zustimmen, dass die St. Petersburger ein Menschenschlag für sich sind. Nicht dass sie von Grund auf mürrisch und schlecht gelaunt wären – nein, sie zeigen es nur nicht jedem sofort. Ansonsten sind die Menschen, die in dieser Stadt leben ja ganz normale Russen, wie alle anderen auch. Aber eben doch ein bisschen anders.
Es mag der Lage der Stadt, fast im obersten Nordwesten des Landes, geschuldet sein, dass die St. Petersburger etwas verschlossener wirken. Vielleicht sind es ja auch die Fremden, die seit mehr als zweihundert Jahren über die Stadt herfallen, denen man sich nicht von vornherein offenbaren mag. Möglicherweise ist aber auch an der gewissen Arroganz, die ihnen nachgesagt wird, doch etwas dran. Wer weiß.
Was ist nur mit dieser Stadt geschehen?
In den letzten Wochen jedoch haben sich die St. Petersburger in einen ganz anderen Licht gezeigt. Geradewegs bemüht haben sie sich, um der hohen Bürde einer Ausrichterstadt der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 gerecht zu werden. Nachsichtig und zuvorkommend gegenüber den unzähligen Gästen zu sein, die plötzlich wie Heuschrecken über ihre berühmte und doch so eigene Stadt hergefallen sind.
Es wirkte mitunter schon fast befremdlich, wenn einem Polizisten auf offener Straße und in Erfüllung seiner unnachgiebigen Dienstpflicht ein Lächeln über das Gesicht huschte. Es mutete befremdlich an, wenn einem geduldig erklärt wurde, was man nicht auf Anhieb verstand. Und es war fast irritierend, als die Schaffnerin im Bus ganz stolz „Tu Tiggez?“ fragte. Von der sich anbahnenden munteren Plauderei, die daraufhin unter den anderen Insassen entstand, einmal ganz zu schweigen.
In der Tat, es ist etwas merkwürdiges geschehen in St. Petersburg. Vielleicht ist es gerade das, was man unter dem WM-Fieber versteht. Zum Schaden war es für die St. Petersburger nicht. Endlich konnten sie einmal mit gutem Gewissen beweisen, dass sie im Grunde ihres Herzens ja doch ganz andere Menschen sind. Ganz normale Russen eben. Genauso herzlich, genauso so gastfreundlich, wie alle anderen auch.
Vielleicht bleibt ja sogar etwas davon hängen, für die Zeit nach der WM. Am Ende gar für immer? Nein, dass wäre zu viel des guten, dann wären sie keine St. Petersburger mehr. Allerdings haben sie bereits in zwei Jahren erneut Gelegenheit, ihre versteckten Talente zu beweisen. Dann ist die gesamteuropäische EM – und St. Petersburg wieder mittenmang dabei.
[mb/russland.NEWS]
- St. Petrsburg ganz im Zeichen der Fußball-WM. Foto: © Michael Barth
- Auch im Eishockey-Trikot, dabei sein ist alles. Foto: © Michael Barth
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- St. Petersburg ist und bleibt halt eine Stadt der Kunst. Foto: © Michael Barth
- Die „Roten Teufel“ auf Tour. Foto: © Michael Barth
- Tja Jogi, Shit happens. Foto: © Michael Barth
- Who is who bei der Flaggenparade? Foto: © Michael Barth
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- Dänischer Durchblick. Foto: © Michael Barth
- Die Russen als perfekte Gastgeber. Foto: © Michael Barth
- Wenn der Newsky überkocht. Foto: © Michael Barth
- Vereint in der Sache. Foto: © Michael Barth
- Ein tolles Turnier für Groß und Klein. Foto: © Michael Barth
- Swjetlana, Katinka, Anuschka? Foto: © Michael Barth
- Mit Haut und Haar dabei. Foto: © Michael Barth
- Plötzlich war St. Petersburg ganz anders. Foto: © Michael Barth
- Die Menschen genossen „ihre“ WM. Foto: © Michael Barth
- Das Wichtigste zum Schluss – die fleißigen Helferlein. Foto: © Michael Barth
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